„Ich glaub, ich träume“

Traudel Lindauer

Textilkunst

2010


Liebe Kunstfreunde,

ich freue mich, sie heute hier wieder so zahlreich begrüssen zu dürfen.

Es ist mir eine besondere Freude, sie in meiner ersten Ausstellung des Jahres 2010 im Kunstraum 57 mit den Arbeiten der Textilkünstlerin Traudel Lindauer bekannt zu machen.

Das erste Mal begegnete ich den faszinierenden Arbeiten der Künstlerin in der Galerie Smend in der Südstadt. Ich war so hingerissen von ihrer Kunst, dass ich unbedingt die Künstlerin kennenlernen wollte.

Seit 1986 arbeitet Traudel Lindauer als freiberufliche Textilkünstlerin in Köln. Ihre Arbeiten wurden in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen im In- und Ausland gezeigt. Sie ist Mitglied der Gedok Bonn ( ein Verband, der sich der Künstlerinnenförderung verschrieben hat) und der AKK/ Angewandten Kunst Köln.

In dieser Ausstellung sehen sie Bilder, Objekte und Collagen aus unterschiedlichsten Materialien. Feinste Stoffe werden bestickt, gerollt, zu phantasievollen Schriftbildern und Materialcollagen zusammengesetzt. Aber auch Naturmaterialien ( Blüten, Hölzchen) werden von der Künstlerin zu Bildern und Objekten verarbeitet. Traudel Lindauer ist fasziniert von der Schönheit, aber auch der Zerbrechlichkeit der Natur. Und Stoffe haben sie, wie sie sagt, immer schon fasziniert. Schon als Kind hatte sie eine Stoffkiste. Wenn sie krank war, legte sie die Stoffe hin und her und dachte sich wahrscheinlich schon damals Geschichten und Bilder dazu aus.

Jetzt werden sie sich vielleicht fragen, was hat das alles mit Textilkunst zu tun? Versteht man unter Textilkunst nicht eher „traditionelles textiles Handwerk“, wie Batiken, Filzen, Sticken, Plissieren usw.? Etymologisch stammt das Wort Textil aus dem lateinischen textere, was so viel wie „weben, flechten, kunstvoll zusammenfügen“ bedeutet.

In diesem Sinne schafft Traudel Lindauer aus unterschiedlichsten Materialien (Stofffetzchen, Hölzchen, Blüten) kunstvolle Gefüge. Aus den Fesseln traditioneller Handarbeit hat sie sich längst befreit. In ihrer Arbeit mit Nadel und Faden findet sie unendlich viele Möglichkeiten sich auszudrücken, sowie andersartige Strukturen, Flächen und Bilder. Die Arbeit selbst und das Material führen sie immer wieder zu neuen unerwarteten Lösungen.

Mit ihren Schriftbildern ( Kryptogramm, Liebesbrief), gestickten geheimnisvollen schwarzen Schriftzeichen und Symbolen auf weissem Stoff, entwickelt sie rätselhafte Geschichten. Sie ist begeistert und inspiriert von der Vielfalt von Schriftzeichen alter Kulturen. Es regt sie an, neue Zeichen zu erfinden. Die Arbeiten entstehen, wie sie sagt, rein intuitiv. Sie lässt dem Faden und ihrer Phantasie freien Lauf. Die Ergebnisse überraschen sie manchmal selbst und stossen neue Räume auf. Dabei gefällt ihr der Kontrast zwischen schwarz und weiss, zwischen schwebender Leichtigkeit und geordneter Struktur.

Diese grafischen Strukturen setzen sich in der Bestickung des weissen Kimono fort. Das traditionelle japanische Kleidungsstück verwandelt sich in den Händen der Künstlerin, durch Stoffapplikationen und typische schwarze Stickereien auf weissem Grund, in ein hauchzartes fast unwirklich erscheinendes künstlerisches Objekt.

Ihre Arbeiten bewegen sich oft an der Grenze zum Nichts. Betrachtet man dieses Blätterkleid ( Bootkleid), ein traumhaftes Gespinst aus Blattgerippen, die kunstvoll zu einem Kleid zusammengefügt wurden. In der Fragilität des Objekts wird die Zerbrechlichkeit der Natur deutlich. Es scheint, als würde dieses schwebende, fast unwirkliche Gespinst nur durch das kräftig wirkende Boot aus knorrigem Geäst, in der Realität gehalten und geschützt. Auch das zarte Tulpenkleid mit seiner strahlenden roten Farbigkeit, scheint einer Traumwelt entsprungen. Einzelne zarte Blütenblätter wurden kunstvoll und filigran miteinander verbunden. Das Kleid scheint, trotz der Transparenz und Leichtigkeit des Materials, Tragbarkeit zu assoziieren. Die Bilder „ vier Stiche“ sind ein Meisterwerk der Reduktion. Mit einem Hauch von Material, kunstvoll mit wenigen, aber graphisch gekonnt gesetzten Stichen, entstanden kleine abstrakte Kunstwerke. In den Arbeiten „Tulpenvögel“ verarbeitet Traudel Lindauer Blütenblätter, die durch ihren Verfallsprozess neue Erscheinungsformen entwickelten. Die Künstlerin liess sich von diesen neuen Formgestalten inspirieren. Es entstanden in Verbindung mit wenigen, aber deutlich gesetzten Fadenstichen, kleine Vogelgestalten, die mit Witz in einen Situationskontext gesetzt wurden. Auch in den Arbeiten „ Das Glück in der Balance“ oder „ Wirklich, ich muss jetzt los“ und folgende, entstanden aus gepressten Blütenblättern, in Verbindung mit sparsam gesetzten Stichen, witzige Karikaturen,die auf den grossen Humor der Künstlerin schliessen lassen. Ihre Bilduntertitel unterstreichen die Situationskomik der Arbeiten. Ich freue mich, dass Traudel Lindauer hier im Kunstraum eine Auswahl ihrer Werke präsentiert. Die Transparenz und Leichtigkeit ihrer Arbeiten, wie ihr Humor sind auch in der Verwandlung dieses Kunstraumes spürbar. Ich wünsche Ihnen noch viel Genuss und Freude beim Betrachten der Werke und in den Gesprächen mit der Künstlerin. Wenn es Ihnen gefallen hat, berichten sie Freunden und Bekannten von dieser außergewöhnlichen Ausstellung. Wenn sie noch nicht in unserm Verteiler sind,aber an weiteren Informationen bezüglich des Kunstraums und der Künstlerin interessiert sind, hinterlassen sie uns bitte ihre Anschrift und Mailadresse. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag.

Angelika Wittek


Presse Texte vom 29. April 2010 aus Stadtanzeiger und Rundschau als PDF

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